Cocoon Compilation L (with Tracklist)

„L is for lover, O is for an offer, V you got to venture, E maybe forever.“ (Al Jarreau, 1986) Okay, ob die mehrfach Grammy-geehrte Jazz-Ikone Al Jarreau bei seinem 86er Hit tatsächlich schon an die zwölfte Cocoon-Compilation gedacht hatte, wissen wir leider nicht. Aber dass es bei der Cocoon Compilation L um Liebe geht, steht außer Frage: Die Liebe zur elektronischen Tanzmusik, zu ihrer Vielschichtigkeit und ihrem Facettenreichtum, die Liebe zu dieser globalen musikalischen Sprache und nicht zuletzt die Begeisterung für die bekannten und noch unbekannten Protagonisten dieser klanglichen Romanze, die uns seit über 30 Jahren treu durch Nacht und Tag begleitet. Und deswegen beginnt L mit einem ausgemachten Liebeslied: Das in Berlin residierende Duo Tale Of Us hat sich für „Equilibrio“ gemeinsam mit ihren derzeit schwer angesagten Förderern Seth Troxler, Ryan Crosson, Shaun Reeves und Lee Curtiss alias Visionquest ins Studio gesetzt. Herausgekommen ist dabei ein romantisches Sonett für das 21. Jahrhundert, dessen traumhaft dahin getupftes Klavier uns noch in so manchen Sonnenaufgang tragen wird – ein perfekter Start für diese Compilation. Weiter geht’s mit den Tiefschwarz-Schützlingen Rampa und Re.You, deren letztjähriger Clubhit „Ghost“ aus der zwölften Ibiza-Season nicht wegzudenken war.

Auch „Yeah Yeah Yeah feat. Meggy“ betört mit einzigartigem Gespür für soulige Vocals ohne barocken Zierrat, und mit seiner deepen Orgellinie gewinnt der trocken bassbetonte Trax-House eine ungeahnte emotionale Intensität. Der Londoner DJ Tim Green, bekannt für Releases auf Four Twenty, Trapez und nicht zuletzt dank seiner „Lemon“-EP für Cocoon Recordings aus dem vergangenen Jahr, generiert dann bei „Curious Smile“ aus verspielten Keyboards-Improvisationen clubbezogenen und irgendwie doch scheuen Pop-House. So was würde man in einer besseren Welt im Formatradio hören. Und auch im weiteren Verlauf der Compilation wird das Füllhorn voll ausgeschüttet: Das italienische Zweiergespann Doomwork, bekannt durch Tracks für 100%Pure und Tronic, verliert sich mit perkussivem Dub, wunderschönen Flächen und Zeitlupen-Vocals lustvoll im sommerlichen Raum-Zeit-Kontinuum, Graham Goodwin aka Sian pumpt mit „East Of Eden“ sein subsonisches Ravesignal klar nach vorne und dürfte damit einige Club-PAs vor echte Herausforderungen stellen, der keine stilistischen Ängste kennende Keinemusik-Act Adam Port macht seiner Vorliebe für Boogie Bass auch mit „Black Noise“ alle Ehre, während DJ-Weltenbummler und Tronic-Labelchef Christian Smith (zuletzt dank seiner Remixes für Carl Craig und Underworld in aller Munde) mit tropisch kraftvoller Energie auch große Tanzflächen garantiert zum Beben bringt.

Zwei perkussiv betonte Energieinfusionen der Extraklasse zelebrieren dann Mark Reeve („Planet Green“) und der Pariser DJ Paul Ritch, dessen Kernaussage „music never separated people“ gar nicht oft genug betont werden kann, während das niederländische Dreamteam Secret Cinema und Peter Horrevorts überraschend industriell geprägten Techno goutiert. Das Finale übernimmt dann der neben Guy Gerber bekannteste israelische Produzent Guy J, dessen „Genesis“ ganz im Stile seiner Arbeiten für John Digweeds Bedrock-Label eine perfekte Balance zwischen hypnotischer Melodie und fordernder Rhythmik findet, bevor der Leipziger Daniel Stefanik tatsächlich den letzten Schlussakkord setzt. Das über zehnminütige „Everything Goes Green“ erhebt das Warten auf den rechten Augenblick zu einer Kunstform und bringt die Geduld auf, mit fragmentierter Rhythmik geraspelte Schokolade statt überbordender Süße zu intonieren. Besser kann man jedenfalls die magische Intensität einer grandiosen Afterhour nicht für alle Zeiten festhalten. Wie gesagt, ein Album zum verlieben!

1. Equilibrio (Tale of Us & Visionquest)
2. Yeah Yeah Yeah feat. Meggy (Rampa & Re.You)
3. Curious Smile (Tim Green)
4. Independence (Doomwork)
5. East Of Eden (Sian)
6. Black Noise (Adam Port)
7. Systemwide (Christian Smith)
8. Wall To Wall (Paul Ritch)
9. Planet Green (Mark Reeve)
10. Ana Bola (Secret Cinema & Peter Horrevorts)
11. Genesis (Guy J)
12. Everything Goes Green (Daniel Stefanik)

 

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